Die wilde Rose - Idee und Hintergrund des Stücke

Die Idee Am Anfang war eine Idee, die Idee von einer völlig abgefahrenen Geschichte über einen sogenannten Behinderten. Der Gedanken, man könne das Thema "Behinderung" von einer ganz anderen Seite betrachten, reizte mich, und fand auch bei sogenannten Nichtbehinderten Anklang. Witze über Behinderte, das konnte sich ein Nichtbehinderter nicht erlauben, so war es eine Frage der Zeit, wann ein “Behinderter” darüber schreibt. "Ein ganz normaler Krüppel" so lautete die aus der Sicht der Freundin eines Behinderten erzählenden Geschichte; und sie erzählt halt die Geschichte über diesen Behinderten, den sie auf einer Freifahrt kennen lernt. Mit Freifahrt meine ich die Fahrten, die ein behinderter Mensch aufgrund seines Behindertenausweises frei hat. Der Anfang dieser Erzählung ist gleichsam der Anfang des Theaterstückes. Die Idee, ein Bühnenstück zum Thema "Behinderung" zu schreiben, ist sehr alt und in meinen Stücken - die allerdings (noch) nicht veröffentlicht oder aufgeführt wurden - "Gott im Rollstuhl" oder "Lauras Tanz" verwirklicht. Dann - es war auf dem Weg mit dem Fahrrad zu Arbeit - fiel mir eine Handlung ein. An diesem Morgen entwickelte sich innerhalb von 10 Minuten in meinem Kopf die Rahmenhandlung des ersten Teils. Noch am selben Abend entstand das schriftliche Konzept zu... Da war das nächste Problem. Das Kind brauchte einen Namen. Als ich am nächsten Tag mit dem Schreiben begann, nannte ich das Stück "Behinderte wollen immer nur das eine". Innerhalb von drei Abenden hatte ich das Konzept, meine Idee in Form eines Theaterstückes in den Computer geschrieben. In erster Linie stand für mich der Spaß: Es sollte einfach Spaß machen, Spaß für den Zuschauer und für die DarstellerInnen. Erst in zweiter Linie war da noch die Absicht, das Thema "Behinderung" zu "enttabuisieren", es sollte gelacht werden, auch über behinderte Menschen, denn nur so können wir sie als Teil unserer Gesellschaft sehen, als Menschen, die genauso klug und blöd sind, wie die meisten von uns auch (Nebenbei gesagt, dass man mich zu den Behinderten zählt). Ich habe viele Vorurteile, die existieren, oder von dem ich vermute, dass sie existieren, im Stück verarbeitet. So ist der Behinderte halt das arme Sorgenkind, das völlig hilflos in dieser großer Welt allein gelassen wird. Was für mich auch wichtig war: Die Tatsache, dass auch der Behinderte schon über Sex seine Gedanken macht. In diesem Stück halt auf eine komische Art. Über Menschen Scherze zu machen ist gemein; Menschen aber nicht zu beachten schmerzt! Knapp 20 Seiten; viel zu wenig für ein abendfüllendes Theaterstück. Zusammen mit meiner Freundin Sara, die auch zunächst mitspielt, überlegte ich, wie eine Fortsetzung aussehen könnte, zumal das ganze Pulver verschossen war. Es galt auch den Höhepunkt des ersten Teils zu toppen. Nun, man hätte den ersten Teil dehnen könne, was allerdings zu Lasten der Schnelligkeit gegangen wäre. Ferner hätte ich den ersten Teil als komplettes Kurzstück belassen können. Andererseits bot der erste Teil etliche Vorlagen für ein möglichen zweiten Teil: Fragen blieben unbeantwortet und eine klassische Komödie muss doch mit einem klassisch "kitschigen" Happy End enden. Ohne zu wissen, wie ich das Ende des ersten Teils an Pointen übertreffen konnte, schrieb ich den zweiten Teil. Und - soviel darf verraten werden - er wurde teilweise noch lustiger als der erste. Und dann gibt es noch einen dritten Teil, eines der wohl kürzesten Teile in der Geschichte des Theaters - knapp über eine Seite. Während dieser Zeit feilte ich auch noch am Titel, weil dieser noch zu plump war. Irgendwann fiel mir dann "Behinderte Leidenschaft" ein, ein Titel, der viel Mehrdeutigkeiten zuließ. Abschließend sei noch zu sagen: Ich bin glücklich, dass aus einer Idee, die auf einem Weg zur Arbeit entstand, nach zwei Jahren eine Aufführung entsteht. Wie sehen wir, die Gesellschaft, den Behinderten? Natürlich, auch er ist ein Mensch, aber ein anderer, denn er ist anders, weil er anders redet, anders trinkt, anders isst, sich anders fortbewegt. Und weil er so anders ist, gebührt ihm eine andere Behandlung, er braucht unsere Fürsorge, und wird sozusagen zu unser aller Sorgenkind. Sprechen wir ihm damit nicht ein Stück Gesellschaft ab? Machen wir ihn nicht damit zu einem Sonderkind? Es geht mir nicht darum, die Hilfsbedürftigkeit vieler behinderter Mitmenschen in Frage zu stellen, sondern ich möchte vielen Behinderten und Nichtbehinderten aufzeigen, dass das Miteinander auch anders funktionieren kann. So wird der Behinderte in meinem Stück zum Teil der Gesellschaft, über den man herziehen kann, über den man sich köstlich amüsieren darf; und schließlich wird er menschlich, mit seiner sexuellen Lust, und letztendlich zum Objekt der Begierde - liebenswert halt. Ist er, der behinderte Leopold, erst als Mensch identifiziert, wird man seine Haltung zur Sexualität vielleicht verstehen. Jeder Mensch hat ein sexuelles Grundbedürfnis. Behinderung und Sexualität ist eine Kombination, die von der Gesellschaft häufig taburisiert wird. Eine Internet-Seite zu diesem Thema sucht man vergebens. Die “Wilde Rose” Gibt es so etwas? Eine Agentur, die sexuelle Bedürfnisse stillt, bei der man anruft, wo man einen halben Monatslohn eines in einer Werkstatt für behinderte Menschen entrichtet, um 60 Minuten Besuch einer Dame zu bekommen? Ja, diese Agentur gibt es in ähnlicher Form wirklich (siehe Themenseite). Hat so eine Agentur Berechtigung? Ich möchte aufzeigen, dass es diesen Service gibt. Sicherlich muss man bedenken, dass diese Agentur allgemein von den Menschen in Anspruch genommen wird, die keinerlei Möglichkeit haben, ihre sexuellen Bedürfnissen auszuleben. Es bleibt bei manchen sicherlich die Frage, inwieweit diese Dienstleistung moralisch zu vertreten ist. Fatal ist es in diesem Zusammenhang, auch die Wünsche und Bedürfnisse behinderter Menschen zu ignorieren. Darf ein 14-jähriges Mädchen mit Behinderung das Theaterstück “Behinderte Leidenschaft” besuchen?  Eine Anektdote am Rande: Es wurde z.B. diskutiert, ob ein 14-jähriges Mädchen (mit Behinderung) zusammen mit ihren Klassenkameradinnen das Theaterstück besuchen durfte oder nicht. Die Mutter hatte aufgrund des Plakates ("Sex in der Haut ...") befürchtet, das Stück sei für ihre Tochter nicht geeignet, um es vorsichtiger auszudrücken. Die Lehrerin dieser Tochter hatte mich angerufen um zu frage, worum es im Stück ginge. Ich frage mich, in welch einer Welt diese Mutter lebt, und in welch einer Welt sie diese Tochter irgendwann einmal schicken möchte. Ich denke, die Aufklärung müsste hier der Mutter gelten. Ich hätte sie gern im Publikum begrüßt, wenn ich auch denke, dass sie aufgrund Ihrer Einstellung die erste Szene nicht überstanden hätte. Denn da ging es - wenn auch "nur" verbal - um Sex. Aber worum geht es sonst im Leben? Warum leben wir? Warum hat diese Mutter eine Tochter? In erster Linie soll "Behinderte Leidenschaft" Spaß machen. Und wenn selbst Menschen mit Behinderung viel Spaß daran haben, am Stück meine ich, dann haben sie zumindest das Stück verstanden. Und wenn sich ein Mensch von den Scherzen angegriffen fühlt, dann hat auch er das Stück verstanden, denn dann ist er der Mensch, den ich zum Nachdenken anregen möchte. Vielleicht gelingt es mir, die Leidenschaft zum Leben auch mit Behinderung und mit Behinderten gesellschaftsfähig zu machen.  
© 2016 Josef Schwarzkopf - www.behinderte-leidenschaft.de
Behinderte Leidenschaft
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